Das Projekt
Modul 1 – Einstellung und Motivation zur Berufswahl
Im Laufe der ersten beiden Projektjahre wurde das erste Zwischenziel des Moduls erreicht: Für die quantitative Online-Erhebung wurde ein Fragebogen erstellt, beraten, getestet und eingesetzt, der zunächst die berufliche und persönliche Situation der Befragten nachzeichnet. Es folgten Abfragen zu Motivation zu Berufsbeginn sowie zur aktuellen Situation. Außergewöhnliche, besonders aber alltägliche berufliche Belastungsfaktoren wurden erhoben. Die Befragung sollte außerdem anzeigenbasierte Lagebilder zur Opferwerdung von Mitarbeitenden der Polizei um Befragungsdaten aus deren Perspektive ergänzen. Sowie Motive und Belastungen in verschiedenen Lebens- und Karriereabschnitten verglichen werden können, können auch Unterschiede zwischen verschiedenen Tätigkeitsbereichen näher betrachtet werden. Solche Differenzierungen sind auch für Einstellungsmuster möglich. Die Studie sollte auch eine Abschätzung ermöglichen, wie häufig bzw. selten demokratie- und menschenfeindliche bzw. autoritäre Einstellungsmuster zu beobachten sind. Auch wenn es keine ungebrochene Beziehung zwischen Einstellungen und Verhalten gibt, ist davon auszugehen, dass in manchen Situationen persönliche Einstellungen und Wertorientierungen verhaltensrelevant werden. Zusammenhängen von Einstellungsmustern und beruflicher Situation und Erlebnissen im Dienst soll weiter nachgegangen werden. Das Verhalten der Befragten konnte in der Befragung nicht abgebildet werden, jedoch wurde nach Beobachtungen im beruflichen Umfeld gefragt. Werte, die im persönlichen Umfeld typisch sind, bilden neben weiteren Fragen zur Arbeitszufriedenheit Schwerpunkte des Fragebogens sowie der ersten Auswertungen, die im Zwischenbericht ausführlicher dargelegt werden.
Die Ergebnisse der quantitativen Erhebungen werden in den kommenden Monaten in qualitative Erhebungen in Form von zahlreichen Interviews mit Expert:innen eingehen und so mit den Erfahrungen der Befragten und dem Hintergrundwissen von Fachleuten rückgekoppelt.
Bis Ende des Jahres soll eine zweite quantitative Befragung eine Längsschnittperspektive eröffnen. Durch die Wiederholung der Befragung lassen sich Entwicklungen und Veränderungen zuverlässiger nachzeichnen als in Querschnittsdaten. Die angestrebten Trendvergleiche machen Unterschiede auf Ebene der Polizei insgesamt deutlich. Für einen Teil der Befragten werden – bei gleichzeitiger Wahrung der Anonymität – auch individuelle Vergleiche möglich sein, die Entwicklungen bzw. die Folgen von Ereignissen im Lebenslauf nachzeichnen. Dies wird zusätzliche Hinweise auf die Entstehung und Änderung von Einstellungen, Arbeitszufriedenheit und -identifikation geben.
Die zweite Erhebung schafft eine Grundlage für eine langfristige Panelperspektive. Ursprünglich wurden weitere Befragungen 6., 9 und 12 Jahre nach der ersten Erhebung skizziert. Die Voraussetzungen hierfür sollen im Förderzeitraum geschaffen werden, die Möglichkeiten ihrer Realisierung sind derzeit aber noch offen.
Modul 2 – Polizeilicher Berufsalltag
Um erste Erkenntnisse zu den unterschiedlichsten Facetten und Herausforderungen des polizeilichen Berufsalltags zu generieren, wurde in Modul 2 ein multiperspektivischer Ansatz gewählt. Durch teilnehmende Beobachtung wurde ein erster Einblick in den Polizeialltag unterschiedlicher Dienststellen gewonnen. Um den Arbeitsalltag und die spezifischen Besonderheiten der vielfältigsten Einsatzmöglichkeiten von Polizeibeamt:innen Rechnung zu tragen, wurden verschiedene Dienststellen der Schutz- und Kriminalpolizei, der Bereitschaftspolizei und der Bundespolizei teilnehmend beobachtet. Örtliche Besonderheiten wurden dadurch berücksichtigt, dass teilnehmende Beobachtung sowohl im ländlichen Bereich, in der Kleinstadt, mittelgroßen Städten und der Großstadt bzw. Ballungsräumen stattfand. Vorwiegend wurden, um die Interaktion mit Bürger:innen bestmöglich beobachten zu können, vor allem „Brennpunktwachen“ in Großstädten beforscht. Die teilnehmende Beobachtung fand an den meisten Dienststellen an drei aufeinanderfolgenden Tagen über einen Zeitraum von zwei Wochen statt.
Darüber hinaus wurden 5 Fokusgruppengespräche mit jeweils 6 Personen und ein Fokusgruppengespräch mit 5 Personen geführt, um im Rahmen der Diskussionen Einblicke in die Besonderheiten des Arbeitsalltags bei der Polizei zu erhalten. In der Zusammensetzung wurde nach mittlerem, gehobenen und höheren Dienst differenziert. Die Fokusgruppen wurden aus den Reihen der Bundespolizei und einem frei gewählten Bundesland gebildet. Die in der teilnehmenden Beobachtung und im Rahmen der Fokusgruppengespräche identifizierten Besonderheiten und Herausforderungen des polizeilichen Arbeitsalltags wurden in einem nächsten Schritt in einen halbstandardisierten Fragebogen überführt, um Expert:inneninterviews mit Führungskräften innerhalb der Polizei zu führen. Es fanden 38 Interviews statt. Dadurch konnten zum einen die bisherigen Erkenntnisse zur Diskussion gestellt und zum anderen Erkenntnisse darüber generiert werden, wie sich der Arbeitsalltag in den einzelnen Behörden unterscheidet. Derzeit werden die Interviews ausgewertet und analysiert. Auf Grundlage dessen sollen sodann Handlungsempfehlungen entwickelt werden, um den Polizeialltag für die Mitarbeiter:innen zu verbessern, Missständen vorzubeugen und bestehende Hilfsangebote zu optimieren.
Modul 3 – Gewalt gegen Polizeibeamte
Im dritten Modul erfolgte aufbauend und ergänzend zur GeVoRe-Studie eine Erweiterung der Stichprobe zur Befragung von Polizeibeamt:innen nach ihren Gewalterfahrungen. Es fanden 42 Interviews statt. Dabei wurde der bereits entwickelte halbstandardisierte Fragebogen im Hinblick auf bestehende sowie perspektivisch gewünschte Hilfsangebote bei psychischen Belastungen erweitert sowie um weitere Fragen ergänzt, die sich aus den Erhebungen in den anderen Modulen ergaben. Daher startete das Modul 3 auch erst im 2. Förderjahr (2022).
Darüber hinaus sollte die Täter:innenseite detailliert zur Motivation der Gewaltanwendung und zur Beschreibung gewaltfördernder Situationen befragt werden. Allerdings war es nur möglich, 2 Täter:innen als Interviewpartner:innen zu gewinnen.
Modul 4 – Entwicklung von Motivation und Wertorientierung
Im Modul 1 wurde die erste quantitative Erhebung in Form der bundesweiten Online-Befragung realisiert. Eine zweite Erhebung soll im dritten Jahr der Förderung durchgeführt werden. Die Replikation der Vorgehensweise und der erneute Einsatz von Fragen aus dem Fragebogen der ersten Erhebungswelle ermöglichen die Beobachtung von Entwicklungstrends. Durch den Vergleich der ersten und zweiten Erhebung kann für die Polizei insgesamt wie auch für einzelne Teilbereiche beobachtet werden, welche Motive, Einstellungen und Belastungen sich verändern und welche sich als eher dauerhaft erweisen. Auch ein Anstieg oder Rückgang bei Gewalterfahrungen kann sichtbar gemacht werden. Zusammenhänge zwischen den erhobenen Themen lassen sich im Zeitvergleich analysieren.
Bereits in der ersten Erhebung wurden Vergleiche auf individueller Ebene (Paneldesign) vorbereitet. Wenn Befragte an den beiden ersten Erhebungen teilnehmen, sollen ihre Antworten verknüpft werden. Hierfür wurden die Befragten in der ersten Befragungswelle gebeten, einen persönlichen Code anhand von Schlüsselfragen zu generieren, deren Antworten sie auch bei der zweiten und potenziell bei weiteren Erhebungen wiederholen können. Die Anonymität der Befragten ist an dieser Stelle von entscheidender Bedeutung. Der persönliche Code ist für Dritte nicht recherchierbar, ein Rückschluss auf konkrete Personen somit ausgeschlossen und eine anonyme Verknüpfung der Antworten möglich. Auf hohem methodischem Niveau lässt sich dann beobachten, wie sich beispielsweise Erlebnisse auf die individuelle Motivation auswirken, ob Einstellungsmuster stabil sind oder sich die Orientierung eines Befragten im Verlauf verändert. Absehbar ist, dass die geplante Verknüpfung nicht vollständig funktionieren wird und es ist damit zu rechnen, dass nicht alle Befragten mehrfach teilnehmen und zugeordnet werden. Die bisherigen Erfahrungen der ersten Erhebung zeigen aber, dass ein großer Teil der Befragten dem Verfahren zustimmt und auf diese Weise eindeutige Codes generiert werden können. Die zweite Erhebung erlaubt die vollständige Erprobung der Vorgehensweise. Das Design kombiniert die Vorteile des Trenddesigns, das mit allen Befragten arbeiten kann, mit den Vorzügen des Paneldesigns, das ’nur‘ auf die zuordenbaren mehrfach Teilnehmenden schaut. Das Trenddesign ist dabei besser geeignet, allgemeine Entwicklungen zu beschreiben, während das Paneldesign eine bessere Prüfung von kausalen Einflüssen erlaubt und Erklärungen auf individueller Ebene erleichtert, die zum Beispiel für die Planung von Maßnahmen besonders geeignet sind.
Eine weitere Fortsetzung dieses Designs wäre im Anschluss in der Lage, die Begrenzungen aufzuheben, die sich aus der vergleichsweise noch kurzen Zeitspanne zwischen erster und zweiter Erhebung ergeben.